Heldenreise und Social Media

Zur Zeit beschäftige ich mich mit den Möglichkeiten, das Muster/Modell der „Heldenreise“ in meine Theorie zum Storytelling in sozialen Medien zu integrieren, was überaus spannend und geradezu erleuchtend ist.

Fast alle Autoren und Drehbuchautoren haben schon einmal von der „Heldenreise“ gehört. Ich erinnere mich an zahlreiche Diskussionen über dieses faszinierende Erzählmodell. Gerade Autoren, die sich ideell dem experimentellen, „unabhängigen“ (im Sinne von Independent-) Erzählen zugehörig fühlen, lehnen die Heldenreise als „starres Muster“ erstmal gern ab. Ich gehöre auch zu denjenigen, die Formeln und erfolgsversprechenden Schemata skeptisch gegenüberstehen, ganz besonders, wenn sie großmäulig aus den USA herüberschwappen und sich als neues narratives Geheimrezept für erfolgreiche Filme ausgeben. Die Heldenreise ist aber viel mehr (und viel weniger) als ein kommerzielles Hollywood-Geheimrezept.

Ich weiß noch, wie beim Auswahlseminar für die Akademie für Kindermedien erbittert über Pro und Contra Heldenreise gestritten wurde, wobei die Diskussion sich an der ganz typischen Frage festbiss: „Aber das Schema trifft doch gar nicht auf alle Filme zu – was ist mit so experimentellen, ungewöhnlichen Filmen wie ‚Pulp Fiction‘?“ Da ich die Diskussion von den éQuinoxe-Workshops bereits kannte und auch die Argumente beider Seiten zur Genüge verinnerlicht hatte, hörte ich amüsiert zu, wie unser Mentor bei der Akademie den engagierten AutorInnen detailreich darlegte, was für ein Paradebeispiel gerade „Pulp Fiction“ für die Heldenreise ist. Denn eines muss man wissen: Die Heldenreise ist kein starres Erzählmuster, sondern vielmehr eine archetypische psychologische Entwicklung einer Hauptfigur (eines „Helden“), die absolut experimentelle, unkonventionelle, kreative Filme und Erzählungen hervorbringen kann. (Vor kurzem habe ich hier über die Heldenreise geschrieben und was sie eigentlich ist – nämlich eine menschliche Ur-Erzählung).

Ich bin überzeugt, dass Geschichten, die die archetypischen Erzählmuster der Heldenreise aufgreifen (und sie gerne total experimentell variieren sowie sie ästhetisch akzentuieren, sei es witzig, schräg, langsam, träumerisch, rasant, voller Action oder Melancholie), ganz sicher die Geschichten sind, die uns Menschen am stärksten zu Herzen gehen. Denn die Heldenreise ist DIE menschliche Ur-Geschichte, die wir alle aus unserem eigenen Leben kennen, und die alle menschlichen Kulturen sich seit Jahrtausenden erzählen. Ja, unser eigenes Leben ist ein Geflecht aus lauter Heldenreisen, die nebeneinander, nacheinander, ineinander verflochten ablaufen. Bei mir sind es zum Beispiel meine Entwicklungsgeschichten als Selbständige, als Schwester, als Tochter, als Diabetikerin, als Freundin, als Puppenmacherin, als Vorleserin, als ehemalige Stipendiatin der Heuss-Stiftung, als Mutter und Ehefrau usw.. In all diesen Rollen erlebe ich Aufs und Abs, Euphorie und Rückschlag, Auseinandersetzung und Hindernisse, gewinne Freunde und begegne Feinden, Mentoren, Wegbegleitern und konfrontiere meine persönlichen Schatten. Wir alle erleben Heldenreisen, jeden Tag, jedes Jahr, unser ganzes Leben lang. Deswegen, und auch, weil das transkulturelle Muster in den Märchen und Mythen weltweit, in zahllosen Varianten wirksam ist, tragen wir alle das Muster in uns. Es ist fester Bestandteil unser Hirnstrukturen und ruft adhoc Emotionen und Identifikation hervor.

Deswegen glaube ich, dass das „Modell“ der Heldenreise DAS ultimative Erzählmodell ist, auch wenn man es lediglich als Inspiration oder für einen Check bei der dramaturgischen Analyse oder Überarbeitung nutzt. Deswegen verwende ich es auch für unsere Theorie zum Storytelling in sozialen Medien. Die Idee, wie wir die Heldenreise für das Storytelling in sozialen Medien nutzen, elektrisiert mich zur Zeit geradezu. Denn die Idee ist so einleuchtend, so einfach und dabei so tausendfach variierbar und für jeden Nutzungskontext geeignet. Bald mehr dazu.

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